Kategorien
Afrika Reisen Südafrika

Erster Tag Jo‘Burg

Johannesburg wird selten genau so genannt – die Einheimischen sagen meistens Jo’Burg oder Jozie.

Die Stadt ist relativ groß mit sehr vielen Stadtteilen – und konträr zu dem, was man sonst so kennt, sind hier nicht die Außenbezirke die Problemviertel, sondern die Innenstadt.

Das hat damit zu tun, dass im Rahmen des Apartheit-Regimes eine harte Rassentrennung herrschte, und die Innerstädtischen Weißen-Viertel zu In-Locations entwickelt wurden, die Schwarzen-Viertel aber sich selbst überlassen wurden. In einem ersten Schritt der Aufhebung der Apartheit wurden die innerstädtischen Viertel dann zu Misch-Zonen erklärt – die schwarzen drängten dorthin, die Kriminalität und Hausbesetzungen nahmen zu, die Viertel wurden offiziell aufgegeben, die Weißen wichen zurück in die nun leeren Außenbezirke, wo sich die Mieten so entwickelten, dass nur sehr reiche Menschen sich das überhaupt leisten konnten und können. So kam das.

Die schlimmsten Viertel, neben dem Central Business District, sind Berea, Hillbrow und Yeoville. Dort ist es auch heute noch potentiell nicht ungefährlich – für alle, für weiße Touristen aber besonders. Und natürlich haben wir gleich für den ersten Vormittag eine geführte Tour durch eben diese Stadtteile gebucht.

Normalerweise bewegen wir uns in den Städten, in denen wir unterwegs sind, grundsätzlich nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das würde hier zwar prinzipiell auch gehen – weißen Touris wird davon aber ziemlich eindeutig abgeraten, vor allem wenn man in den Problembezirken unterwegs ist. Also kommt nur eine andere Lösung in Frage: Uber. Das ist leider auch hier durchaus nicht günstig, aber praktisch, gemütlich und schnell.

Die Tour begann gleich stilecht in “Ponte City”. Das ist ein riesiger Wohnturm mit einer extrem bewegten Geschichte – von Hyperluxus über Slum bis obere Unterschicht hat sich hier alles abgespielt.

Das besondere: Der Turm ist innen hohl – und da kann man rein. Der zweite Stop der Tour, gleich mal extremst fotogen.

Der Innenraum lud natürlich dazu ein seinen Müll da abzuladen – als der Turm zum Slum degradiert wurde ging die Müllschicht bis über die X-förmigen Treppenhäuser, 14 Stockwerke hoch. Ausserdem war der Turm damals ein Magnet für Selbstmörder – deren Reste dann ebenfalls einfach liegenblieben.

Dennoch sieht auch heute die Turmmitte noch ein wenig wie eine Mondlandschaft aus – ist aber Naturstein. Ursprünglich war mal geplant den Innenraum mit Beton zu füllen, das fand man dann aber einfach zu aufwendig – und hats so gelassen.

Nach diesem ersten Eindruck ging es rein in den Stadtteil Berea – und dort wurden wir gleich beim ersten Stop gebeten keine Fotos zu machen – da das im gefährlichsten Stadtteil die gefährlichste Ecke ist: Ein besetztes Haus, in dem Gangster wohnen. Stellt euch eine zweigeschossige Baracke vor, mit einem Dach aus Plastiktüten, die mitten auf einem überwucherten, zugemüllten Grundstück steht. Offenbar zapfen sie den Strom von einer Straßenlaterne ab, wodurch die Ecke nachts komplett dunkel ist. Zwar gibt sich unser Guide alle Mühe die Situation irgendwie schönzureden, und so wirklich bedrohlich wirkt das auch alles nicht – dennoch ist es sicherlich kein Zufall, das die drei “Helfer” unseres Guides immer links, rechts und hinter unserem Tourigrüppchen herlaufen.

Auch die umliegenden Straßen sind kaum besser: Überall Müllhaufen – teilweise brennend, es riecht nach Abfall und Fäkalien. Trotz des arg zweifelhaften Eindrucks der Gegend laufen kaum abgerissene Leute herum, auch Penner und Bettler sieht man kaum.

Nur eine Straße weiter – ein komplett gewandeltes Bild: Die Straßen sind sauber und hübsch begrünt, die Häuser machen einen sehr guten Eindruck (wenn auch der Natodraht weiterhin allgegenwärtig ist), es sind viel mehr Menschen auf der Straße, es gibt Geschäfte..

Hintergrund ist eine sehr progressiv eingestellte Wohnungsgesellschaft, die versucht, die Community aus sich selbst heraus zu verbessern – es gibt einen eigenen Sicherheitsdienst, Nachbarschaftswachen, Reinigungskolonen – man sieht regelrecht, wie das bisschen Engagement hilft.

Und hier lernen wir dann auch über “Wimba” – das Zulu-Wort für “Festhalten”: In dieser Gegend hat die Community inzwischen von der Kriminalität so die Schnauze voll, dass sie vermehrt zu krasser Selbstjustiz greifen – und wann immer jemand dieses Wort ruft stürzen alle los und helfen.

Für den Verfolgten endet das im Krankenhaus. Wenn er Glück hat.

Nach diesen krassen Erfahrungen haben wir uns dann über einen der größten Märkte Johannesburgs, der Pretoria Street, wo es von der Rolex bis zum lebenden Huhn alles zu kaufen gibt, durchgeschlängelt. Leider riecht es auch hier überall eher zweifelhaft, weswegen ein Shoppingflair nicht so recht aufkommen wollte.

Von oben – in diesem Fall dem 51. Stock – sieht der Turm ein bisschen dröger aus, als von unten:

Dafür ist die Aussicht aus der Lounge der Tour-Veranstalter umso besser:

Und mit einem gemeinsamen Mittagessen endet die Tour: Das weiße ist Pap (Maisgrieß), dazu Tomate mit Zwiebeln (scharf!), gebratenes Huhn, ein bisschen Salat und Morogo (mit Zwiebeln gekochter afrikanischer Spinat). Sehr lecker, und typisch Südafrikanisch, wie uns versichtert wurde.

Nach diesem nicht ganz unanstrengenden Rundgang (Jo’burg liegt auf über 1700 Metern Höhe, und ist recht hügelig) hatten wir den Nachmittag über keine Lust mehr auf Action – und sind zurück ins vergleichsweise langweilige Sandton gefahren, und haben uns die örtlichen Geocaches vorgenommen. Vor allem der echt hübsche Mushroom Park hat es uns dabei angetan – bei inzwischen auch recht vorzeigbarem Wetter.

Bleibt noch das Abendessen: Als Vorspeise Springbok-Carpaccio (was am ehesten an sehr stark geräucherten Schinken erinnert).

Als Hauptgericht vorne eine Grillplatte mit Spare Ribs, einem Steakspieß, zwei Boerwors (Würstchen), ein Lammkottlett, Steakstreifen und Zwiebelringen. Hinten ein Filetsteak.

Zum Dessert hinten dreierlei Sorbet, und vorne Malva Pudding (ein sehr sapschiger Kuchen mit Vanüllesauce).

Als krönenden Abschluss habe ich mir beim aufstehen dann irgendwie böse den Rücken gezerrt – und konnte die ganze Nacht nur unter argen Schmerzen liegen, und kaum schlafen.

Ein ereignisreicher erster Tag – sach ich mal so.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.